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Tränen

 

Insgesamt vergiesst der Mensch knapp 100 Liter Tränenflüssigkeit in seinem Leben.

 

Weinen ist physikalisch anstrengend. Es beschleunigt die Atmung und den Herzschlag und der Blutdruck steigt. Daher folgt nach dem Weinen oft Erschöpfung.

 

Doch damit gelingt es uns manchmal auch, dass wir die ganze körperliche (muskuläre) sowie psychische Anspannung loslassen können. Wir merken, wie der Ballast nach dem Weinen auf unseren Schultern kleiner geworden ist.

 

Wie Eiskristalle, Fingerabdrücke und unsere Augen, so sind auch Tränen sehr unterschiedlich.

 

Rose-Lynn Fischer fand heraus, dass ihre Tränen der Trauer anders aussehen, als die Tränen der Freude. Sie fing an die Tränen unter dem Mikroskop zu erforschen.

Dabei zeigte sich, dass die Tränen, die unser Körper produziert um unsere Augen zu schmieren sich drastisch unterscheiden von von den Tränen, die wir haben, wenn wir Zwiebeln schneiden. Zudem sehen die Tränen, die wir beim Lachen produzieren kein bisschen so aus, wie die Tränen die wir weinen, wenn wir traurig sind. Ist das nicht spannend?!

 

Tränen sind so viel mehr als bloss eine Flüssigkeit, die aus Salz, Traubenzucker, Wasser und antibakterieller Stoffe, wie Lysozym besteht.

 

Tränen sind Lösungen...

 

Sie helfen uns blockierende, hinderliche Emotionen, Gedanken und verinnerlichte Programme zu erkennen, loszulassen oder aufzulösen. Wenn wir an etwas glauben, das sich dann als Irrtum erweist, fühlen wir Ent-täuschung in Form von Trauer, Schmerz und oft auch Wut. Diese Erfahrung tut weh, gehört jedoch zu unserer Entwicklung. Im Nachhinein dürfen wir dankbar für diese Prozesse sein.

 

Wir neigen dazu, uns schlecht zu fühlen, wenn die Gefühle uns überwältigen und wir weinen müssen. Doch wenn wir darüber nachdenken, wie es uns geht, nachdem wir geweint haben, stellen wir oft fest, dass wir befreit und erleichtert sind und wieder lächeln können. Weinen ist eine Art, Druck abzubauen und Emotionen zuzulassen, die uns unbewusst belasten und sich oft über Jahre angestaut haben.

 

Tränen sind kein Zeichen von Schwäche. Sie sind viel eher ein Zeichen von Ehrlichkeit, Authentizität, dem Mut zu seinen Gefühlen zu stehen, sich diesen zu stellen und sich mit all seinen Facetten anzunehmen und zu zeigen.

 

Wenn wir weinen verschleiern unsere Tränen für einen Augenblick unsere Sichtweise, um uns zu helfen unsere Aufmerksamkeit nach Innen zu richten, uns selber und die Umwelt zu reflektieren, in die Tiefe zu fühlen und all die Emotionen, die wir wahrnehmen, zu verarbeiten. Danach, wenn die Tränen trocknen und wir wieder klar sehen, ist die Welt oft wieder voller Sonnenschein und wir sind bereit für neue Lösungen.

 

Tränen bringen uns jedoch nicht nur uns selber näher, sondern auch unseren Mitmenschen. Sie machen sichtbar, wie wir gerade empfinden und wenn wir Hilfe, Nähe, Liebe, Geborgenheit, Trost, Unterstützung oder etwas mehr Zuwendung brauchen. Tränen sind Ausdruck unserer Menschlichkeit und nichts wofür wir uns schämen müssen.

 

Wenn wir aber unsere Tränen immer wieder unterdrücken, sammeln sie sich im Innern an, verbinden sich zu tiefen Seen von Emotionen, die immer grösser werden und eines Tages das ganze System überschwemmen. (symbolisch betrachtet)

 

Darum sollten wir uns erlauben, den Tränen einfach zwischendurch ihren Lauf zu lassen, ohne Wertung, einfach wahrnehmen, wie sie die Wangen herunterkollern und in der Stille hinhören, was das Herz mitzuteilen hat...

 

Tränen schenken uns auch Hoffnung. Alles, was uns verletzt und verändert, lässt uns auch wachsen. Dinge, die uns verärgern oder traurig machen, lehren uns z.B. den Wert eines Lächelns und der guten Momente im Leben zu schätzen. So können wir stets von den schlechten Momenten lernen und die nötige Stärke finden, um diese zu unserem Wohl zu verändern.

 

Tränen verhelfen uns kreativ zu sein, neue Ideen zu entwickeln und Verhaltensweisen zu verinnerlichen, die uns ermöglichen, das Leben leichter und freudvoller zu gestalten.

 

Tränen geben einem ein wahrhaftiges Gefühl, das vom Herzen kommt. Echte Tränen lügen nicht.

 

Manchmal muss man den Tiefpunkt erreichen, um wieder die Kraft zu finden, die uns dazu motiviert, etwas Besseres aufzubauen.

 

Wo es Tränen gibt, gibt es Leben, welches von innen brodelt und strömt. Dies gibt uns die Hoffnung, weiter für etwas zu kämpfen und nicht so schnell aufzugeben.

 

Tränen der Traurigkeit sind Teil unseres Lebens, wie auch die Tränen der Freude.

 

Regenbögen erscheinen nicht bei heiterem Sonnenschein, sondern dann, wenn wir den Regen nicht abhalten und Licht sich in den Tropfen spiegelt. Bringen wir auch in unsere Tränen Licht hinein, kann Schmerz transformiert werden und Wunderbares neu entstehen.

 

Wir sollten viel öfters unter unserem vermeintlich sicheren Regenschirm hevorkommen, uns mit allem was wir sind, zeigen, Luft rauslassen, weinen, schreien, lachen alles zum Ausdruck zu bringen, wozu wir das Bedürfnis haben und im Regen tanzen. Es liegt nichts Falsches daran, menschlich zu sein, und es liegt nichts Falsches daran, unsere Gefühle und Emotionen zum Ausdruck zu bringen. Denn eine Emotion, die zum Ausdruck gebracht wird, bedeutet, dass wir sie in dem Moment auch loslassen können. Während wir sie in der Unterdrückung in uns einkerkern. Gelebte Emotionen werden unser Leben viel weniger unbewusst beherrschen.

 

Lassen wir uns also die Bedeutung unserer Tränen entziffern, um herauszufinden, was uns an unserem Glück hindert.

 

Manchmal tut es auch einfach gut sich dem Fluss der Tränen hinzugeben, still, leise und liebevoll... und danach frohen Herzens aufzustehen und sein Mitgefühl, das man in dem Moment selber für sich entwickeln konnte, mit der Welt zu teilen.

 

Hoffen wir, dass dieses Weinen, durch welches wir Seelenfrieden finden können, von der Gesellschaft wieder akzeptiert wird.

 

Viele, die eine schwierige Zeit hinter sich haben, wissen, wie es sich anfühlt, wenn man auf Grund seiner Gefühle gerade dann abgewiesen, missverstanden oder sogar verachtet oder verurteilt wird, wenn man am dringendsten Zuneigung und Verständnis brauchen könnte. Um sich zu schützen, zieht man sich dann zurück oder täuscht den anderen etwas vor und verhält sich so, wie es sich gesellschaftlich gehört. Wer jedoch keine Angst davor hat, was andere denken, hat auch keine Angst vor seinen Tränen. Wer zu sich steht, steht auch zu seiner verwundbaren Seite.

 

 

Sätze wie:

  • Wieso weinst du denn jetzt?
  • Komm schon, es gibt doch wirklich Schlimmeres / Wichtigeres.
  • Sei doch nicht so empfindlich.
  • Reiss dich doch zusammen.
  • Deswegen weint man doch nicht.
  • Was denken denn die Leute, wenn du dich so gehen lässt?!
  • Warum machst du jetzt so ein Drama / Theater... etc.?

...helfen niemandem, zeigen jedoch deutlich, dass derjenige, der sie ausspricht anscheinend ein noch viel grösseres emotionales Problem hat. Viele Menschen wissen einfach nicht mehr, wie man mit Emotionen (den eigenen und deren anderer) umgehen kann und sind völlig überfordert, wenn jemand weint. Daher ignorieren sie die Gefühlsäusserung oder werten sie ab. Andere wiederum werden sogar persönlich getriggert und reagieren wütend. 

 

In Gegenwart einer anderen Person zu weinen, ist kein Zeichen für Schwäche - im Gegenteil! Es zeigt, dass man der Person vertraut und sie an seinem Gefühlsleben Anteil haben lässt. Diese Geste sollte man doch schätzen, ehren und nicht verurteilen.

 

Teilen wir unsere Ängste, Anspannung, Wut und Traurigkeit mit anderen, können wir gemeinsam die zerbrochenen Teile wieder zusammenfügen.

 

Gerade die "spirituelle Szene" vermittelt einem oft die Botschaft, dass nur ein Leben voller Sonnenschein richtig sei. Dies ist meiner Meinung nach nicht nur sehr wertend, sondern auch eine Illusion. Es geht meines Erachtens nicht darum, dass wir nie hinfallen im Leben, sondern darum, dass wir dann, wenn wir uns selber genug Zeit für unsere Empfindungen und Bedürfnisse gegeben haben, wieder aufstehen und mit neuem Mut und konstruktiven Lösungen weiter machen.

 

Wer seine Tränen und Emotionen stets verdrängt, verpasst leider auch die Chance, sich selber besser kennen zu lernen und sich zu entwickeln.

Jede Träne, die wir vergiessen, lässt eine Blume der Hoffnung und des Neuanfangs aus dem Herzen spriessen.

 

Menschen weinen aus Traurigkeit oder auch aus Freude – dann, wenn sie im Herzen tief berührt sind. Das tun wir weil wir Menschen sind und keine Roboter ...und dafür bin ich sehr dankbar.

 

So hoffe ich, dass der Grossteil unserer Spezies, sich diese Menschlichkeit auch in Zukunft nicht abtrainieren lässt...

 

 

Herzlichst Doris

 

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